Interview mit Christine AX.
In Regelmäßigen Abständen stellt der Bundesverband Metall „Unternehmen des Monats“ vor.
Christine Ax, Ökonomin, Philosophin, Wissenschaftlerin und Autorin forscht und schreibt seit Mitte der 90er Jahre über Fragen des nachhaltigen Wirtschaftens mit einem Schwerpunkt auf lokale Ökonomie, Handwerk und Degrowth. Gute Arbeit, Arbeit die gut fürs Leben ist und ihren Lohn auch in sich selber trägt, als eine wichtige Quelle von Wohlstand und Glück ist für Christine Ax eine nachhaltige Alternative zu dem mit Ressourcen- und Energieverbrauch verbundenen Konsum.
Lesen hierzu das Interview:
Leidenschaft schmiedet die schönsten Ideen
„Etwas tun, von dem man überzeugt ist, für das man brennt, etwas bewusst zu tun, sich mit seinen eigenen Lösungen einbringen zu können, nicht zu akzeptieren, wie die Welt aus der Sicht anderer zu sein hat, sondern sich selbst ein Bild zu machen und dieses wirksam in diese Welt zu tragen, diese mitzugestalten, das alles finde ich nach wie vor sehr spannend.” Ein Interview mit Michael Stratmann, Leiter der Fachgruppe Metallgestaltung des BVM und Chef der Werkstatt für Metallgestaltung, Essen.
C.A. Lieber Herr Stratmann, Sie leiten die Fachgruppe Metallgestaltung des Bundesverbandes Metall. Welche Aufgabe hat diese Fachgruppe? Was kann und soll sie erreichen?
M.S. Die Bundesfachgruppe hat in der Vergangenheit intensiv und gut über das Thema Ausbildung gearbeitet. Mein Focus liegt sehr auf dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Konkret arbeiten wir an dem nächsten Messeauftritt der IHM im 1. Quartal 2017 in München. Hier möchten wir die o.g. Ausbildungsstellen bis hin zur Fachhochschule Hildesheim intensiv einbeziehen. Die Metallgestaltung – und das zeigt alleine schon der Begriff – hat ein Problem. Die öffentliche Wahrnehmung lässt zu wünschen übrig. Dies zu ändern empfinde ich momentan als meine vordringlichste Aufgabe innerhalb dieses Ehrenamtes.
C.A. Die Digitalisierung nimmt immer mehr Einfluss auf die Herstellung und Entstehungsgeschichte von Produkten. Neue Werkzeuge und Materialien hatten schon immer großen Einfluss auf das, was Menschen zeitgemäß und schön fanden. Sie haben manchmal auch Stilepochen eingeleitet. Was bedeutet das für das Metallhandwerk?
M.S. Da das Metallhandwerk so vielseitig ist, beschränke ich mich hier auf die Metallgestaltung, denn die Feinwerktechnik hat z.B. ganz andere Voraussetzungen, Anforderungen und Möglichkeiten Digitalisierung einzusetzen. Innerhalb des gestaltenden Metallhandwerks sehe ich große Probleme auf uns zukommen. Denn: Der Kunde hat berechtigt enorm hohe Ansprüche an neue Produkte.
Um in der handwerklichen Produktgestaltung und Entwicklung zukünftig mitzuhalten, bedarf es einer sehr hohen Qualität und intensiven Wissensvermittlung innerhalb der Aus- und Weiterbildung. Digitalisierung lässt sich nicht mal eben nebenbei erlernen. Grundlegende Kenntnisse im IT Bereich, im Umgang mit 3D Programmen und 3D Druckern, Gestaltungsmöglichkeiten im virtuellen Raum und dergleichen werden zur Voraussetzung für die Produktgestaltung und Erzeugung von Morgen sein. Auch werden die Investitionskosten in diesem Bereich stark steigen.
Sicherlich wird ein großer Bereich über Dienstleister abgedeckt werden können, wie wir das heute bereits bei Zulieferern aus spezialisierten Laserbetrieben erleben. Der Metallgestalter von Morgen muss die Maschinen nicht besitzen, er muss aber in der Lage sein, die Produktionstechniken zu nutzen, um neuartige Formen, Verbindungen und Produktlösungen zu generieren.
Hier bleibt die Schwierigkeit des Handwerks, gegen die Industrie zu bestehen. Vielleicht ermöglichen diese neuen Technologien aber auch ein schnelles hochflexibles Handeln. Das fällt der Industrie naturgemäß schwerer als dem Handwerk.
C.A.Sie sind als Metallbauer und -gestalter sehr erfolgreich und sehr einflussreich. Haben Sie dafür eine Erklärung?
M.S. Erfolg hat immer mehrere Väter oder Mütter. Keiner kann seinen Erfolg alleine erwirken. Drang zur Gestaltung, (im Allgemeinen) Übereinstimmung der eigenen Haltung zu den Verhältnissen innerhalb der jeweiligen Zeit , Menschen, die sehen und schätzen, was man tut und lässt und zwar als Fordernde und Fördernde (Familie, Freunde, Mitarbeiter, Auftraggeber, Planer), das alles sind Aspekte, die zum Erfolg beitragen.
Ich hatte das Glück, solchen Menschen zu begegnen, die an das glauben, was man ausstrahlt. Hierzu gehörten in besonderer Weise ein Architekt und der ehemalige Dom- und Diözesanbaumeister aus Essen. Außerdem war ich aber auch sehr gut und umfassend ausgebildet. Meine Lehre habe ich mit 21 Jahren begonnen, und mit 26 Jahren war ich selbstständig.
Es ging mir in meinem Leben immer darum, mich weiter zu entwickeln: technisch, handwerklich und gestalterisch. Ich habe jedes Projekt als eine neue Herausforderung an mein Können erlebt. Man darf sich nicht zu schnell zufrieden geben. Dieses Engagement haben Partner und Auftraggeber honoriert. Dafür bin ich sehr dankbar. Erfolg ist immer eine Rückmeldung für die Richtigkeit des eigenen Handelns. Und natürlich braucht es auch das Handwerkszeug dazu: z.B. das Unternehmerische, Mitarbeiterführung, Technik, Mut zu Neuem und den Mut, größere Verpflichtungen einzugehen. Ich glaube, jeder Mensch kommt mit vielen Fähigkeiten und Möglichkeiten auf die Welt. Dass sich diese Gaben entfalten können, ist von großer Bedeutung.
C.A. Ihnen ist es wichtig, dass jeder „Verantwortung für die Form übernimmt“, die er in die Welt bringt. Was meinen Sie damit?
M.S. Die Frage ist eigentlich falsch gestellt. Man übernimmt keine Verantwortung für die Form, die man in die Welt stellt, man hat sie! Das ist nicht nur bei Gestaltern so. Ich meine, dass alles, was durch uns Menschen in die Welt kommt, verantwortet werden muss. Das gilt auch für Ihr Interview oder alles, was Sie schreiben.
C.A. Und was bedeutet Verantwortung?
M.S. Jeder Verantwortung geht eine Frage, ein Bedürfnis oder ein Verlangen voraus. Ich will es an einer Klinke deutlich machen. Als Metallgestalter gebe ich zum Beispiel eine Antwort auf die Frage nach der guten Benutzbarkeit und Nachhaltigkeit einer Klinke. Ich gebe diese Antwort mit der Form, die ich der Klinke gebe, mit der Art und Weise ihrer Herstellung, der Wahl des Materials usw.
Nur wenn ich mir die entsprechende Frage klar und bewusst stelle, kann ich eine, bzw. meine Antwort darauf geben.
C.A. Gibt es so etwas wie einen grundlegenden Gedanken, ein geistiges Prinzip, das Sie bewegt oder antreibt?
Den alten Spruch „Schmiede das Eisen solange es glüht“ hat ein Kollege umgewandelt in „Schmiede das Eisen solange du glühst“. Das fand ich gar nicht so schlecht. Etwas zu tun, von dem man überzeugt ist, für das man brennt, etwas bewusst zu tun, sich mit seinen eigenen Lösungen einbringen zu können, nicht zu akzeptieren, wie die Welt aus der Sicht anderer zu sein hat, sondern sich selbst ein Bild zu machen und dieses wirksam eben in diese Welt zu tragen, diese mitzugestalten, das alles finde ich nach wie vor sehr spannend.
C.A. Seit über 30 Jahren steht die Form im Zentrum ihrer Arbeit und ihres Denkens. Welche Impulse, welche Vorbilder, welche Theorien, welche Kollegen oder Meister haben Sie stark beeinflusst?
M.S.Als ich entdeckt habe, dass der Beruf des Schmiedes meiner ist, wusste ich noch gar nicht, zumindest nicht bewusst, dass der Beruf eine solche Tragweite für mich haben würde. Dass Schmieden etwas mit Gestaltung und Verantwortung zu tun hat, wurde mir erst im Laufe der Ausbildung klar.
In der weiteren, steten autodidaktischen Weiterbildung war natürlich vieles willkommen. Bücher über historische Schmiede- und Metallarbeiten, die Auseinandersetzung mit Arbeiten von Kollegen wie Gradinger, Zimmermann, Hafen, Fritz und Achim Kühn, Bergmeister, der Blick zu Kollegen ins Ausland, überhaupt die Begierde zu schauen, wie andere etwas machen – im handwerklichen und gestalterischem Sinn – war stark beeinflussend. Mit der Zeit wuchs aber auch gleichzeitig das Interesse an der Architektur – der Situation, in der man arbeitet. Hier haben ich mich mit Menschen wie Scarpa, Schattner, Binefeld, Pierre Chareau, Juan Prouvé, Renzo Piano, alles Architekten mit hohem Detailanspruch und handwerklichen Detaillösungen, beschäftigt – ebenso mit Künstlern wie z.B. Chillida, Erwin Heerich u.a.
Alle Objekte, die wir sehen, beeinflussen uns. Die Frage: „Wie funktioniert Gestaltung?“ beschäftigt mich ständig. Es geht immer um die Frage: „Was macht die besondere Qualität einer Arbeit aus?“ Gestaltung beruht auf einem ständigen Abwägungsprozess. Ist das Objekt gut gestaltet oder nicht? Funktioniert es, oder funktioniert es nicht? Ist es im jeweiligen Kontext spannend oder spannungslos?
Für die Beschäftigung mit diesen Fragen gibt es tausend Anlässe: Kollegenarbeiten, Architektur, Natur, chinesische Tuschemalerei, das kleine Schneckenhaus oder auch eine große technische Maschine.
Als besonderer Theorie- oder Gestaltungsansatz war mir immer das Wesen des Ornamentes wichtig. Im Ornament – und Schmieden oder Metallgestaltung ist sehr oft Ornament (wenn auch in der Moderne sehr reduziert) – ist das zweidimensional wirksam, was innerhalb der Architektur und oder Bildhauerei ja dreidimensional wirksam ist.
Was meint der Architekt? Die Wand oder den Leerraum? Was ist wichtig bei dem Ornament? Die Materialform oder die Leerform zwischen dem Material? Es geht immer um beides, nämlich um das bipolare Wirken in Allem /aller Form. Nichts kann alleine betrachtet werden. Immer ist das Andere, das Gegenüber in die Wirkung einbezogen. Auch bei einem guten Glas Wein wird das deutlich. Das Glas erzeugt die Form (und nimmt Einfluss auf die Gestalt) des Weines. Beides bedingt sich. Deshalb nehmen wir für einen guten Wein auch ein besonderes Glas.
C.A. Was empfehlen Sie jungen Menschen, die als Metallgestalter tätig werden wollen? Was können sie tun, um gute Gestalter zu werden?
M.S.Ich glaube, der Weg, den ich beschritten habe, würde heute so nicht mehr funktionieren. Eine fundierte Ausbildung ist die Grundlage. Wir haben heute gute Institutionen, wie z.B. Akademien des gestaltenden Handwerks, und es gibt die HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen mit dem Studiengang Metallgestaltung in der Architektur. Das alles ist sehr spannend.
Das Wichtigste ist und bleibt aber die innere Bildung durch Anschauung und Sensibilisierung für jedwede Form, für Formzusammenhänge und das Tun an und für sich. Auch die Beschäftigung mit neuen digitalen Werkzeugen ist für den Metallgestalter der Zukunft wichtig. Mein Rat: studieren und ausprobieren. Nicht in vorgetretene Pfade treten, sondern mutig nach Neuem suchen. Die Fragen der Zeit erkunden und auf sie im o.g. Sinne Antworten finden. Das alles sind Aspekte, die es braucht, um heute gute GestalterInnen hervorzubringen.
C.A. Architekten und Handwerker müssen eng zusammenarbeiten, um außergewöhnliche Werke zu schaffen. Wie können beide zu ihrem Recht kommen bzw. das dazu beitragen, was sie am besten können? Wie sieht eine optimale Zusammenarbeit aus?
Der Umgang miteinander muss respektvoll sein. Die Wertschätzung der Fähigkeiten des anderen ist eine sehr wichtige Grundlage. Ebenso die Akzeptanz der Hierarchie. Wenn ich mich als gestaltender Handwerker zu wichtig finde, ist das zum Scheitern verurteilt. Wichtig ist vielmehr, die Qualität (oder auch Nichtqualität) der Architektur erkennen und beurteilen zu können und sich zu fragen: Wie kann ich meine speziellen Fähigkeiten in den Formwillen des Bauherrn / Architekten einbringen? Wie und wo soll und kann ich darauf hinweisen, dass eine Lösung des Architekten nicht funktioniert (technisch und evt. gestalterisch).
Der Architekt / Auftraggeber sollte sehen und beurteilen können, welche ergänzenden Fähigkeiten die Handwerker ihm bieten. Die Beteiligten verfolgen im Idealfall alle das gleiche Ziel. Bei öffentlichen Bauten ist das leider nicht mehr oft gegeben. Ausschreibungsrichtlinien können ein solch kreatives und produktives Zusammenarbeiten nicht fördern.
Die Erkenntnis, dass es beim Bauen nicht (nur) ums Geld geht, sondern um eine menschengerechte und menschenwürdige Kulturleistung, ist nicht weit genug verbreitet. Das zu ändern, wäre ein wichtiger Bildungs- und Ausbildungsauftrag. Dennoch – es gibt sie die guten Beispiele gelungener Zusammenarbeit und die gute Form als Ergebnis gemeinsamen Bemühens.
C.A. Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
M.S.Stolz als Begriff hat für mich keine Relevanz. Vielmehr geht es mir um Freude. Freude über Schaffensprozesse, über Geschaffenes, über gute Zusammenarbeit, über gelungene Ergebnisse.
Wir als Werkstatt haben z.B. ein großes Projekt im Kirchenraum realisiert, mit wirklich gutem Ergebnis. Leider war die Kundenbeziehung so dramatisch schwierig, dass ich nicht so gerne an den Ausführungsprozess zurück denke. Kleine stimmige Arbeiten, über die sich der Kunde wirklich freut, sind manches Mal mehr wert. Sehr große Freude (und vielleicht schleicht sich da doch ein wenig Stolz ein) bereitet mir ein interessantes, spannendes Projekt am Kölner Dom, zumal wir ja sehr viel im Kirchenraum arbeiten durften.
Link zu: Metallhandwerk.de –http://www.metallhandwerk.de/schmiede-das-eisen-solange-du-gluehst/